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Eine Herzensstadt wie aus Butter geschnitzt

Juni 19, 2025 Silvia Schaub

Blick über die Altstadt von Neuchâtel (Bild: Guillaume Perret).

Zwischen Seen und Bergen lockt das Neuenburgerland mit einem vielfältigen Angebot: urbanes Leben in Neuchâtel, romantische Weindörfer am See und Le Locle mit seinen Murals.

Gut, dass wir nicht einen Tag früher in Neuchâtel unterwegs waren. «Ach, wie war die Stadt doch voll!», erzählt Christine Domon, die uns auf eine Runde durch Neuenburg mitnimmt. «Alles war auf den Beinen, alle wollten sie die Bundesräte sehen!» Es war Anfang April, als die Landesregierung traditionsgemäss eine Sitzung «extra muros» durchführte. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter wählte nicht ihre Heimatstadt Wil, sondern ihre «Herzensstadt» Neuchâtel. Hier ging sie als Jugendliche zur Schule und lernte Französisch. «Das reinste und schönste der Westschweiz», wie sie in ihrer Rede hervorhob – bevor sie für ein Telefongespräch mit Donald Trump davonhuschte.

Mitten in der Stadt: die Fontaine du Banneret (Bild: Silvia Schaub).

Die Stadt hat uns in der Tat schnell im Sack mit ihrem gelben Hauterive-Stein, der für viele Bürgerpaläste verwendet wurde und eine mediterrane Stimmung in die Stadt zaubert. Schriftsteller Alexandre Dumas bezeichnete Neuenburg mit seinen gelben Fassaden als kleines Juwel wie aus Butter geschnitzt. Das Leben in den Gassen mit den vielen Strassencafés (unbedingt La Brasserie Le Cardinal mit ihrem Jugendstil-Interieur besuchen!), hippen Designerboutiquen und dem dreimal wöchentlich stattfindenden Markt hat wirklich etwas Mediterranes. Genussliebende werden hier in einen Kaufrausch geraten – mit all den Feinkostgeschäften rund um die Rue du Seyon und Rue du Trésor, wie La Source du Salami, Boucherie R. Margot, La Maison du Fromage Sterchi oder Maison Wodey-Suchard. Ein Besuch der Rue des Chavannes lohnt sich immer, die Strasse mit den kleinen Geschäften wird alle zwei Jahre neu bemalt und dekoriert.

Unbedingt einen Besuch wert: La Brasserie du Cardinal (Bild: Guillaume Perret).

Oft im Schatten von Lausanne und Genève braucht sich die Stadt mit 34 000 Einwohnern am Jurasüdfuss also wahrlich nicht zu verstecken. Schliesslich war sie ab dem 18. Jahrhundert lange eine der reichsten Städte Europas, wie uns Christine Domon erzählt. Insbesondere wegen der Neuenburger Kaufmänner wie de Pourtalès, du Peyrou oder de Pury, die als Bankiers und Plantagenbesitzer – nicht zuletzt dank Sklavenhandel – zu viel Geld kamen. Hier traf sich noch in der Belle Epoque das Who-is-who der Kaufleute. Am besten verheiratete man sich gut. Die stattlichen Häuser zeigen noch heute mit ihren Wappen, wer mit wem verbandelt war.

L’Hôtel du Peyrou mit dem wunderbaren Park (Bild: Silvia Schaub).

Immer wieder sind auch prominente Gäste hier hängengeblieben. Wie etwa Honoré de Balzac, der über seinen Aufenthalt in Neuchâtel sagte, er hätte hier seine glücklichste Zeit verbracht. Oft sass der Schriftsteller auf den Steinbänken, die damals noch in einem Park am See standen und traf sich mit seiner Geliebten, der Comtesse Ewelina Hanska. Heute stehen die Bänke zu seinem Gedenken auf dem Schlosshügel vor der Stiftskirche Collégiale, dem Wahrzeichen Neuchâtels. Von dort geniessen wir die herrliche Aussicht über die Stadt und den See, nachdem wir die Rue du Château hinaufspaziert sind. Auf dem Weg sollte man einen Blick in den Bücherladen Le Cabinet d’Amateur mit seiner Decke voller kryptischer Zeichen werfen. Bald wird hier oben noch mehr Leben sein, wenn im nächsten Jahr das Projekt «Tour du Fantastique» im mittelalterlichen Turm eröffnet wird: ein Ausstellungs- und Kreativraum rund um die Werke von John Howe und das Thema Fantasy. Der kanadische Illustrator der Werke von J.R.R. Tolkien ist auch einer, der in Neuchâtel hängengeblieben ist.

Oberhalb der Stadt gelegen: das Centre Dürrenmatt (Bild: Walery Osowiecki).

Eng verbunden mit Neuenburg ist auch Friedrich Dürrenmatt, der viele Jahre oberhalb der Stadt lebte. Heute befindet sich dort das Centre Dürrenmatt mit dem von Architekt Mario Botta ans Wohnhaus angebauten Labyrinth mit Turm. Spannend, durch die persönliche Bibliothek zu wandeln, wo sich Weltliteratur neben Büchern von Karl May oder Johannes Mario Simmel tummeln. Erst recht Dürrenmatts Arbeitszimmer mit dem überdimensionierten Schreibtisch, wo noch seine berühmte Pfeife steht – und ein riesiges Teleskop. Damit soll er nicht nur den Nachthimmel beobachtet, sondern auch die Fussballspiele von Neuchâtel Xamax unten in der Stadt mitverfolgt haben. Ob er wohl auch mal entlang der Uferpromenade flaniert ist wie früher Karin Keller-Sutter? Wir jedenfalls tun es zur blauen Stunde – durch den Jardin Anglais mit der blühenden Bepflanzung, vorbei an den bunten Fischerhütten mit der kleinsten Bar der Welt bis zur Passarelle de l’Utopie, einem freischwebenden Steg über dem kristallklaren Wasser. Spätestens jetzt verstehen wir, weshalb Neuchâtel die «Herzensstadt» der aktuellen Bundespräsidentin ist.

Auvernier ist mit seinen bunten Häusern eines der schönsten Weindörfer im Neuenburgerland (Bild: Silvia Schaub).

Wir reisen jedoch nicht ab, ohne auch das Umland anzuschauen, liegen doch die hübschen Winzerdörfer gleich um die Ecke. Auvernier zum Beispiel mit seinem Château, den vielen bunten Steinhäusern und Weinkellern. Hier ist «Au Carillon d’Or», die Pendulen-Werkstatt der Familie Amstutz, zu Hause. Wir dürfen einen Blick ins Atelier werfen, wo David Amstutz gerade an verschiedenen Reparaturen arbeitet. Die wertvollen Neuenburger Pendulen finden aus der ganzen Welt hierher. Sorgfältig nimmt er alle Teile auseinander und reinigt sie fein säuberlich. «Ich sehe schnell, wo das Problem ist – und finde immer eine Lösung, die Pendulen wieder zum Laufen zu bringen», sagt Amstutz.

Am nächsten Tag nehmen wir den Zug nach Le Locle. Wieso gerade dorthin? Kulturstätten, Le Corbusier-Architektur, Uhrenindustrie, schachbrettartige Strassenraster gibt es schliesslich nicht nur im benachbarten La Chaux-de-Fonds. Auf den ersten Blick mag die Stadt, wo Uhrenmarken wie Tissot, Zenith, Certina oder Ulysse Nardin zu Hause sind, vielleicht nicht so das Herz öffnen. Erst recht nicht, wenn man morgens oder abends durch die Stadt flanieren will. Dann stauen sich die Autos mit vornehmlich französischen Nummernschildern auf der ganzen Länge. «Wir hoffen schon lange auf eine Umfahrung», sagt unser Guide Wolfgang Carrier. 2031 soll der Bau endlich fertig sein und Entlastung bringen.

Le Locle überrascht mit einer Vielzahl an riesigen Murals wie “Revolution!” von Case Maclaim (Bild: Silvia Schaub).

Carrier, der ursprünglich aus Stuttgart stammt, aber schon lange in der Region lebt, zieht uns zum mächtigen Hôtel de Ville, dem Rathaus. «Es steht auf über 1244 Pfählen aus Tannenholz, weil der Untergrund ursprünglich ein Sumpfgebiet war und instabil ist.» Das Besondere am Gebäude sind aber die Fresken von Ernest Biéler an der Hauptfassade, die die Epoche des Sonnenkultus in Erinnerung rufen. Natürlich sind darauf auch die traditionellen Berufe wie Klöpplerinnen und Uhrmacher verewigt, die seit über 300 Jahren zum Ruhm und Reichtum der Stadt Le Locle beitragen.

Beeindruckend das Mural “Radium” von Shok-1 (Bild: Silvia Schaub).

Fast könnte man sagen, solche Wandmalereien seien die DNA der Stadt. Mittlerweile gibt es nämlich über 40 Murals oder Graffiti oder Fresken. Manche nur klein, viele richtig gross. 2019 lancierten Sylvie Balmer und ihr Mann François das Projekt «Exomusée». Seither werden in Le Locle die Mauern von international renommierten Künstlern zu neuem Leben erweckt. Erstaunliche Werke, die die Fragen unserer Zeit widerspiegeln, aber auch die des lokalen Erbes wie die Uhrmacherei oder Spitzenklöppelei. «Radium» heisst das Mural von Shok-1 und zeigt die düstere Schönheit medizinischer Röntgenbilder. Das radioaktive Element, das für das Leuchten der Zifferblätter sorgte, schädigte die Gesundheit Tausender mit Radium arbeitender Frauen. «Sklaven der Zeit» sind wir doch alle, deshalb bleiben wir vor diesen beiden Murals von M-City etwas länger stehen. Dazwischen stand einst ein Haus, das so weit abgesackt war, dass man es nicht mehr retten konnte. Die ideale Plattform für zwei grosse freie Flächen – und das Thema Zeit, die alles zu Staub zerfallen lässt, selbst die Steine. Das Werk «Revolution!» von Case Maclaim symbolisiert mit den gehenden Fingern die Neuenburger Revolution. Angebracht ist das Fresko dort, wo die Revolutionäre am 1. März 1848 loszogen. Die Uhrenstadt im Neuenburger Jura lockt mit den Murals immer mehr und auch jüngere Gäste an. «Und auch Kunstschaffende, die ein Werk in Le Locle malen möchten», wie Wolfgang Carrier erzählt. «Es fehlen schon bald die leeren Wände.»

Essen

Neuchâtel: Brasserie Cardinal, Rue du Seyon 9; La Villa Castellane, Faubourg de l’Hôpital 21; Restaurant de l’Hôtel Du Peyrou, Av. Du Peyrou 1; Café de la Collégiale, Rue de la Collégiale 10A; Auvernier: Brasserie du Poisson, Rue des Epancheurs 1; Le Locle: La Croisette, Rue du Marais 10; Restaurant De la Gare Chez Sandro, Rue de la Gare 4.

Unterkünfte

Neuchâtel: Hotel Beaulac, Esplanade Léopold-Robert 2, 4-Sterne-Hotel direkt am See mit toller Dachterrasse im 7. Stock; Le Locle: B&B Maison Dubois, schöne Unterkunft im ehemaligen Wohnhaus und Uhrmacheratelier Dubois aus dem Jahr 1785.

Aktivitäten

Neuchâtel: Musée de l’histoire naturelle; Musée d’art et d’histoire (mit den Automaten von Jaquet-Droz); Archäologiepark und Museum Laténium in Haute-Rive; diverse Kleintheater wie das Théâtre le Pommier, Théâtre de la Poudrière oder Tais-toi Théâtre. Le Locle: Musée des Beaux Arts; Exomusée, Art urbain,www.exomusee.ch

Auskünfte

www.neuenburg-tourismus.ch, mit der Neuchâtel Tourist Card reist man ab einer Übernachtung kostenlos mit dem ÖV und bekommt Gratiszugang zu über 40 Aktivitäten.

Die Reise wurde unterstützt von Neuchâtel Tourisme.

Tags Neuchâtel, Le Locle, Kunst, Kultur, Stadt, Altstadt, Murals, Geschichte, Dürrenmatt, Centre Dürrenmatt, La Collégiale, Graffiti, Wochenendtrip, Parks, Gärten
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